Donnerstag, 5. Januar 2012

Theologische Überlegungen zum Widerstand, oder warum ich mich als Christin engagiere…


Publikationen wie „Empört euch“ von Stéphane Hessel oder „Der Aufstand des Gewissens“ von Jean Ziegler versuchen eine breite Öffentlichkeit aufzurütteln und auf Ungerechtigkeiten, falsche oder korrupte Systeme aufmerksam zu machen. Dies ist vermutlich ein „Zeichen der Zeit“ und liegt nicht zuletzt an den aktuellen (welt-) politischen Umständen. Die Idee ist aber um einiges älter. Die meisten großen Religionsgründer oder Propheten haben in irgendeiner Form zu Veränderungen aufgerufen. Für ChristInnen ist Jesus dahingehend die zentrale Person. Der Glaube an Jesus Christus und den Gott, über den er gesprochen hat, wird meiner Meinung nach sehr gut in einem Zitat von Dorothee Sölle ausgedrückt: „Glauben heißt, ich verlobe mich mit der Revolution“.
Diese vermutlich nicht unumstrittene Aussage hat für mich mehrere Bedeutungen. Einerseits beschreibt es die Verfasstheit des Glaubens an sich. Der Glaube ist nichts Unerschütterliches, Starres und Sicheres. Glauben heißt sich dem Risiko auszusetzen, immer wieder überwältigt zu werden, sich immer wieder der Gefahr hinzugeben, nicht mehr glauben zu können, sein gesamtes Weltbild neu bilden zu müssen. Dies sind auch Merkmale von Revolutionen. Revolutionen sind immer Zeiten der Unsicherheit, des Umschwungs und des Neu-Überdenken-Müssens.
Andererseits hat der Glaubensinhalt auch etwas Revolutionäres. ChristIn sein bedeutet, Jesus in seinem Leben und Taten so gut wie möglich nachzufolgen. Jesus war zu seiner Zeit ein Revolutionär in seinem Denken und Handeln und ist es bis heute. Ja, er war fast radikal in seinen Forderungen, auch wenn sein Tun fast immer von Gewaltlosigkeit geprägt war. (Eine einzige Ausnahme könnte man in der so genannten Tempelreinigung – vgl. Mk 11,15-19 – erkennen.) Jesus hat sich nicht angepasst, ganz im Gegenteil, er hat sich gegen jegliche Unterdrückungen, Diskriminierungen und Ungerechtigkeiten aufgelehnt. Er hat auf sie hingewiesen und ihnen entgegen gehandelt. Beispiele dafür findet man in den Evangelien. Frauen und andere von der Gesellschaft ausgeschlossene werden von Jesus immer wieder integriert und aus ihrer Diskriminierung geholt (vgl. z.B.:Gespräch am Jakobsbrunnen Joh 4,1-26) Nicht zuletzt hat er sich gegen Obrigkeiten und – für ihn – sinnlose Gesetze aufgelehnt (vgl. Sabbatgebot Lk 6,6-11).
Will man Jesus also nachfolgen, so hat man auch die Verantwortung, genau das im eigenen Rahmen der Möglichkeiten weiter zu führen. ChristInnen müssen sich alleine auf Grund ihres ChristInseins gegen Ungerechtigkeiten wenden, gegen Diskriminierungen (von Frauen, Menschen mit besonderen Bedürfnissen, unterschiedlichen Ethnizitäten usw.) kämpfen.
Tun wir das nicht, dann verraten wir seine Botschaft. Dorothee Sölle drückt die Angst davor in ihrem Credo auf dramatische Weise aus: „Jeden Tag habe ich Angst, dass er (Jesus) umsonst gestorben ist, weil er in unseren Kirchen verscharrt ist, weil wir seine Revolution verraten haben im Gehorsam und Angst vor den Behörden.“
Damit dies nicht vollends geschieht, sehe ich uns ChristInnen in der Verantwortung, wo es möglich ist, gegen Unrecht, Hass und Diskriminierung Widerstand zu leisten. – Also seid ChristInnen und engagiert euch!


Zum Nachlesen:
Stéphane Hessel, Empört euch!, Berlin 2011
Stéphane Hessel, Engagiert euch! Im Gespräch mit Gilles Vanderpooten, Berlin 2011
Jean Ziegler, Der Aufstand des Gewissens. Die nicht-gehaltene Festspielrede 2011, Salzburg 2011
Dorothee Sölles Credo – formuliert für das Politische Nachtgebet http://www.heinzpangels.de/meditation_0225.htm

www. gleichgueltig.info oder facebook: www.facebook.com/kollektivgleichgueltig

Beitrag im Apfel Nr. 100, Zeitschrift des Österreischischen Frauenforums für Feministische Theologie

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