Donnerstag, 5. Januar 2012

Gleichgültig ad Theologinnen: Vater unser – Mamma Mia? Frauen in der Theologie


Nicht zuletzt dank des aktuellen Aufrufs zum Ungehorsam der Priester- bzw. Laieninitative werden die Möglichkeiten von Frauen in der Kirche immer wieder – zumindest an der kirchlichen Basis – diskutiert und eine Öffnung wird gefordert. Ein Thema, das meist auf Grund seiner vielleicht fehlenden Brisanz zurück bleibt, ist die Frage, wie es mit der Wertschätzung des wissenschaftlichen Schaffens von Frauen in der Theologie steht. Diesem Thema widmet sich das Kollektiv Gleichgültig in einer Veranstaltungstrilogie. Zwei Veranstaltungen sind bereits erfolgreich über die Bühne gegangen


Kollektive Gleichgültigkeit?!
Das Kollektiv Gleichgültig hat sich im Herbst 2010 an der Katholisch-Theologischen Privatuniversität Linz (KTU) aus Studierenden (Männern wie Frauen) unterschiedlicher Fachrichtungen gebildet. Sowohl TheologInnen, als auch PhilosophInnen und KunstwissenschafterInnen sahen Missstände in der Rezeption des wissenschaftlichen Schaffens von Frauen. Aus dem gemeinsamen Bedürfnis etwas daran zu ändern, beschlossen sie eine Veranstaltungsreihe ins Leben zu rufen, welche sich an Hand der drei Hauptstudienrichtungen an der KTU dem wissenschaftlichen Schaffen von Frauen in eben diesen widmen wollte.
Dabei geht es dem Kollektiv weniger um die eigene feministische Aufarbeitung, viel mehr geht es darum, Raum für Diskussionen zu schaffen. Ziel ist es, aktiv aufmerksam zu machen, das Vakuum zu füllen. Anders ausgedrückt, geht es darum, nicht aus der Metaebene auf das Ungleichgewicht in der Rezeption von Männern und Frauen zu blicken, sondern Werke von Frauen zur Sprache zu bringen, ihnen Raum zu bieten und darauf aufmerksam zu machen, dass es sich um ein künstliches Vakuum handelt, das auf Grund des männlich geprägten Kanons der Wissenschaften entstanden ist. Es geht dem Kollektiv darum, zu zeigen, dass es durchaus einige wesentliche Stellungnahmen von Frauen in der Philosophie, der Kunstwissenschaft und Theologie gibt, denen man Raum geben muss.
Mit dem (nicht unumstrittenen) Motto: „Was sie uns nicht geben, nehmen wir uns“ wurde diese Selbstinitiative am ersten Veranstaltungsabend zum Ausdruck gebracht.
Das Kollektiv Gleichgültig besteht aus zwischen 10 und 20 Mitgliedern, die sich je nach Thema und eigenen zeitlichen Ressourcen einbringen. So hat sich die Zusammensetzung des Kollektivs vom ersten zum zweiten Abend nicht unwesentlich geändert, das Anliegen bleibt aber gleich.


Widerstand im Sinne der Gleichgültig(-keit)
Wie der Name des Kollektivs Gleichgültig zu verstehen ist, wurde vermutlich durch das Anliegen schon klar. Es geht eben genau darum, nicht gleichgültig den festgestellten Missständen gegenüber zu stehen, sondern sich ihnen entgegenzustellen. Man kann es auch als einen aktiven Widerstand gegen die immer weiter um sich fassende Gleichgültigkeit der Gesellschaft, in der wir leben, sehen. Das Kollektiv möchte der Tatsache, dass Menschen Themen, die sie selber nicht betreffen, immer öfter kalt lassen, entgegen wirken.
Warum man nicht auch die Negation in den Namen nimmt, resultiert aus dem Anliegen. Dem Kollektiv Gleichgültig geht es darum – im wörtlichen Sinne – eine Gleich-Gültigkeit herzustellen, also das Schaffen von Frauen – im Falle der hier angesprochenen Veranstaltungsreihe – dem Schaffen von Männern in den Wissenschaften gleich – zustellen. Ihnen die gleiche Gültigkeit, die gleiche Rezeption zu geben.


Gleichgültig ad… - Die Veranstaltungsreihe:
Den oben genannten Raum für die wissenschaftliche Aufarbeitung des Schaffens von Frauen, schafft das Kollektiv in einem ersten Schritt durch die bereits erwähnte Veranstaltungsreihe „Gleichgültig ad…“. Dabei wird an je einem Abend das Werken und Wirken von Frauen in der Philosophie, der Theologie und der Kunstwissenschaft beleuchtet. Begonnen wurde im April 2010 mit der „ad Philosophinnen“-Veranstaltung. Dabei wurden konkrete Vertreterinnen aus den verschiedenen Jahrhunderten von StudentInnen vorgestellt. So ging es etwa um Aspasia von Milet, Bertha von Suttner, Hannah Arendt, Hildegard von Bingen, Hypatia von Alexandria, Martha Nussbaum oder Virginia Woolf. Das Anliegen des Kollektivs war es, aufzuzeigen, dass es immer schon wichtige Beiträge von Frauen in der Philosophie gab. Die Veranstaltung zeigte ihre Wirkung, insbesondere an der KTU. Es entstand ein Diskurs rund um die Beiträge und um das Anliegen des Kollektivs. Verschiedene ProfessorInnen nahmen die Anregungen auf und brachten auch in ihren Lehrveranstaltungen vermehrt PhilosophINNEN ein. Die darauf folgende Veranstaltung, auf die im kommenden Absatz noch genauer eingegangen werden soll, war „Gleichgültig ad Theologinnen“, die im Mai 2011 stattfand. Die Veranstaltung im nächsten Studienjahr wird den Kunstwissenschafterinnen gewidmet werden.


Vater unser – Mamma Mia? Frauen in der Theologie
Unter diesem Titel fand die zweite Veranstaltung des Kollektivs statt. Der Schwerpunkt lag dabei darin, zwei zentrale Theologinnen vorzustellen und davon ausgehend das breite Spektrum der feministischen Debatte in der Theologie zu thematisieren.
Für den Einführungsvortrag konnte DDr.in. Theresia Heimerl, Religionswissenschafterin und derzeitige Studiendekanin an der Katholisch Theologischen Fakultät der Karl Franzens Universität Graz gewonnen werden. Unter dem Titel „Himmlische Ekstase und göttliche Selbstvergessenheit: Mechthild von Magdeburg und Marguerite Porete – zwei radikale Gottesrednerinnen des Spätmittelalters“ stellte sie das Werken und Wirken der beiden Frauen dar. Beide waren in ihrer Zeit nicht unumstritten und eckten in ihrer je eigenen Art beim kirchlichen Lehramt an. Ausgehend von diesem Vortrag wurden in fünf verschiedenen Workshops die Themen des Vortrags vertieft: Interaktiv wurden dabei etwa die Rolle von Frauen in den Wissenschaften, der Kirche und der Theologie (durch Maria Dammayr und Kristina Binner - JKU), die Relevanz der Bibel in gerechter Sprache (Klara Porsch – KTU), die Gemeinschaft der Beginen (Mario Rudelstorfer - KTU), feministische Aspekte der Befreiungstheologie (Franz Xaver Mohr - KTU) oder auch weibliche Gottesbilder (von Christa Mitter - KTU) bearbeitet. Im Anschluss dazu fand eine Diskussion im Plenum statt, bei der die Ergebnisse der Workshops ausgetauscht werden konnten und eine Verbindung zum vorangehenden Vortrag von Frau Heimerl gefunden wurde. Nämlich die Frage ob und wie sich die Situation von Theologinnen seit dem Spätmittelalter geändert hat. Geändert hat sie sich tatsächlich, da Frauen inzwischen nicht nur im Rahmen von Ordensgemeinschaften studieren können und für „zweifelhafte“ Lehren nicht mehr am Scheiterhaufen verbrannt werden. Trotzdem bleibt eine Grundvorsicht. Viele Theologinnen nehmen sich noch heute so manches Blatt vor den Mund. Denn trotz allem zeigt die Erfahrung, dass man als Frau und damit Laie, austauschbarer für das kirchliche System ist. Auf Priester (Männer) wird weniger gern verzichtet. Weiters war für die BesucherInnen interessant festzustellen, welche Strategien die Frauen des Spätmittelalters anwandten, um ihre Lehren vertreten zu können. In Hildegard von Bingens Texten finden sich z. B. geschickte Formulierungen, in denen sie sich selbst als Frau neben den Kirchenvätern und Bischöfen vermeintlich klein macht, um im Endeffekt Unterstützung für ihre Lehren zu bekommen. Fazit des Abends war, dass sich zwar im Laufe der Zeit einiges an der Rezeption und Wertschätzung von Frauen in der Theologie geändert hat und gegenwärtige Theologinnen einiges von ihren „Müttern“ lernen können, dass aber auch noch vieles zu tun bleibt. Das Anliegen des Kollektivs konnte jedenfalls erreicht werden, die Frauen fanden ihre Rezeption und es wurden einige Denkanstösse durch die ExpertInnen gegeben.

Wie es weiter geht…
Auch wenn ebenso die zweite Veranstaltung ihre Spuren an der KTU hinterlassen hat, ist das Anliegen des Kollektivs noch nicht erfüllt. Denn es hat sich das vielleicht hochgesteckte Ziel zur Aufgabe gemacht, eine nachhaltige Bewusstseinsbildung zu erreichen. Daher wird die Trilogie (nach der Veranstaltung zu den Kunstwissenschafterinnen) nicht das Ende der Bemühungen darstellen. In den letzten Treffen kam eine Ausrichtung zur Sprache, die aus den Anfängen des Kollektivs stammt. Auch wenn es sich im ersten Schritt dem Gleich-Gültig-Machen von Frauen in den Wissenschaften gewidmet hat, so war die ursprüngliche Ausrichtung eine breitere. Anliegen war es nicht nur das Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern zur Sprache zu bringen, sondern generell auf Un-Gleich-Gültigkeiten aufmerksam zu machen. Also, sich dort einzusetzen, wo etwas anderen gleichgültig ist, sich gegen Zustände auflehnen, die Menschen nicht als gleich-gültig beachten. Wenn man mit offenen Augen und Ohren der Welt begegnet und einem nicht alles gleichgültig ist, dann weiß man – es gibt noch viel zu tun.

Beitrag für den Apfel - Zeitschrift des Österreichischen Frauenforums für Feministische Theologie Nr. 100

1 Kommentar:

  1. Willkommen unter den Bloggerinnen, liebe Melanie! Freut mich und bin gespannt, was da noch alles kommt!

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