Donnerstag, 15. März 2012

Wer nichts weiß, muss alles glauben?! Das Phänomen des (neuen) Atheismus zwischen Atheismus und Religionskritik (Arbeitstitel)



Abstract zum Konzept meiner Dissertation (Fachbereich Philosophie)

Das Phänomen des so genannten "neuen Atheismus" hat seit ca. 2005 - wohl entfacht durch die Anschläge des 11.09.2001 - eine neue Brisanz in die Diskussion rund um Religion und deren Kritik gebracht. Autoren wie Richard Dawkins, Michel Onfray, Christopher Hitchens, Sam Harris, Michael Schmidt-Salomon und einige andere publizierten quasi im Monatstakt religionskritische und selbsternannt atheistische, meist extrem polemische, streitbare Schriften, in denen die Religion als Feind des Humanismus oder auch als ablegbarer evolutionärer Vorteil dargestellt wird.
Neu ist – auf den ersten Blick - vor allem die harte Sprache und die Konzentration auf neue wissenschaftliche - zb (neuro-)biologische - Erkenntnisse, bzw. das Konzentrieren und nahezu endlose Ausführen von Gräueltaten im Namen der Religion. Ansonsten lassen sich viele Parallelen und Gemeinsamkeiten zwischen traditioneller Religionskritik (Feuerbach, Marx, Nietzsche, Freud) und den "neuen Atheismen" finden. Das atheistische Rad wurde nicht neu erfunden, soweit die – gängige - Annahme, die in der Dissertation überprüft werden soll.

Bezug nehmend auf andere vorgeschlagene Kategorisierungen etwa vom Philosophen Wucherer-Huldenfeld, Gregor Maria Hoff oder auch Thomas Schärtel möchte ich versuchen eine eigene Vorzunehmen und an Hand dessen modellhaft die Gemeinsamkeiten oder auch Unterschiede der Positionen der so genannten traditionellen Religionskritik und des neuen Atheismus darzustellen. Die Kriterien boten dabei die Art des Zugangs der Religionskritik, der atheistischen Theorie. So gibt es Positionen, die etwa die Funktionen oder die Funktionalisierung der Religion kritisieren (vgl. Karl Marx, Sigmund Freud, Sloterdijk), andere sehen die Religion auf Grund von - im weitesten Sinne - evolutionären Prozessen hinfällig (vgl. Nietzsche, Dawkins und Dennett), weitere kritisieren vor allem die (Un-) Menschlichkeit der Religion und ihre brutalen Auswüchse (Feuerbach, Onfray, Michael Schmidt-Salomon) und die analytische Philosophie führt die Religion an Hand ihrer sprachlichen Darstellung ad absurdum.
Dem steht eine weitere Position fast gegenüber, oder auch zwischen den "Fronten", nämlich der Zugang von Herbert Schnädelbach, der sich selbst als frommen Atheisten bezeichnet, der sich von den "konfessionellen" oder auch "kämpferischen" Atheisten abgrenzt und es eigentlich schade findet, dass er nicht glauben kann. Er sagt: Ich glaube nicht, dass Gott existiert, im Gegensatz zu den oben genannten, die sagen Ich glaube, dass Gott nicht existiert.
Dazu in Bezug steht ein quasi praktischer Atheismus, der aber genauso ein theoretischer Atheismus ist, nämlich der organisierte Atheismus. Beispiele dafür sind etwa die Giordano-Bruno-Stiftung (ausgehend von Deutschland), The Brights aus den USA, oder auch die Konfessionslosen aus Österreich mit deren populären Vertreter Heinz Oberhummer, die ihre Ansichten als Politikum nutzen.

Doch sind diese so genannten Atheisten wirklich alle Atheisten oder versteckt sich diese radikalere Position eigentlich hinter dem Deckmantel der Religionskritik? Dies gilt es in der genauen Analyse zu überprüfen.
De facto kratzen viele der atheistisch-religionskritischen Theorien mit ihrer Kritik nur an der Oberfläche der religiösen Vorstellungen und Annahmen. Den Kern der Religion versuchen die Atheisten durch einen weitere Schritt zu erreichen. Sie setzen Religionskritik mit der Aufklärung gleich, spielen Religion gegen Vernunft bzw. Glaube gegen Wissen aus und bezeichnen dadurch jeglichen Glauben als etwas durch die Aufklärung erledigtes. Dies gilt es in einem letzten Schritt anhand von Schriften, wie etwa der Dialektik der Aufklärung (Adorno und Horkheimer) oder Glaube und Wissen (Habermas) zu dekonstruieren.

Forschungsfrage:
Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede können zwischen traditioneller Religionskritik und neuem Atheismus, bzw. den Ansichten des organisierten Atheismus (spezieller Blick auf Österreich) gefunden werden? Wo werden die Begriffe Atheismus und Religionskritik in der Zuschreibung der Positionen nicht klar verwendet und welche können daher tatsächlich als Atheismen bezeichnet werden und welche als Religionskritiken? Welche philosophischen Konzepte lösen die dahinter stehende Differenzierung zwischen Vernunft und Religion bzw. Wissen und Glaube auf?

Nachtrag: "Wer nichts weiß, muss alles glauben" ist das Zitat eines Slogans einer von Heinz Oberhummer gestalteten Radiosendung auf FM4.